Oma Nescafati

 

Jeden Morgen punkt halb acht schaltet Oma Nescafati die Kaffeemaschine ein, die Opa Nescafati, schließlich nach dreijähriger Entwicklungszeit, am 05.07.1959 fertiggestellt hat und braut sich damit ihren Kaffee, ganz frisch. Die Kaffeemaschine ist die des schnellen rechtsdrehenden Umlaufverfahrens. 50 ml des edlen Trunkes benötigen dadurch lediglich 8 Bohnen halbvorgerösteten nepalesischen Hochlandkaffees.

 

Da Oma Nescafati ihren Kaffee hin und wieder, je nach morgendlicher Laune und Gaumenstimmung, aber auch gemäß der Gemütslage ihrer Galle mit ein paar Tropfen Ziegenmilch vollendete, wollte Opa Nescafati auch die Ziegenmilchbeimengung in den Brauvorgang integrieren und bastelte an einer dementsprechenden Zusatzapparatur.

 

Opa Nescafati, von Beruf eigentlich Landwirt mit Schwerpunkt Ziegenkäserei, seit jeher aber dem technischen Entwicklungsgeiste mehr zugetan, tüftelte und zeichnete jeden Tag am Abend in seinem Schuppen Pläne, wie diese Zusatzapparatur aussehen und funktionieren könnte. Er erkannte darin, sollte sie funktionieren und davon war er felsenfest überzeugt, dann hat er eine weltbewegende Errungenschaft erzielt, die gleichzusetzen ist mit der Erfindung der tastenlosen Schreibmaschine oder dem entdynamisierten Fahraddynamo oder was auch immer.

 

Eines Tages ging schließlich das lautlose Planen in lautstarkes Hämmern, Sägen, Bohren und Schleifen über. Ein Anzeichen dafür, dass Opa Nescafati nun schon emsig daran war den Prototypen zu bauen. Und kurze Zeit später bastelte Opa Nescafati bereits an der technischen Anbindung zur Kaffeemaschine und schließlich war sie fertig. Fertig für den ersten Testbetrieb. Unter Oma Nescafatis argwöhnischen Blicken, verfrachtete Opa Nescafati die erstbeste Ziege die sich in der Nähe befand in die Maschine, schloss ihre Euter an die dafür vorbereiteten Schläuche an, steckte ihr schließlich als Belohnung eine Möhre in den Mund und schloß die Tür.

Natürlich war es Oma Nescafati vorbehalten, den ersten Kaffee mit der automatisierten Ziegenmilchbeimengung zu brauen. Doch eher zaghaft, da sie von der technischen Errungenschaft ihres Gatten nicht vollends überzeugt war, drückte sie den Startknopf und die Maschine setzte sich unter laut tosenden Drehgeräuschen in Bewegung. Opa beschwichtigte, dass das schon seine Richtigkeit hat, da ja der Brauvorgang nun um einige Kilo Produktionsressourcen erweitert wurde. Eine Ziege wiegt ja schließlich um einiges mehr als 8 Kaffeebohnen. Und unter dem tosenden Drehgeräusch rann schließlich der Kaffee in einem feinen Strahl und braun gefärbt in Omas Kaffeetasse. Opa Nescafati war stolz und erhaben zugleich, als er den braunen Kaffee sah. Es hatte funktioniert.

 

Doch Omas Blick, als sie den ersten Schluck davon gekostet hat, war der einer traumatisierten Ziege, der man Kaffee in ihr Trinkwasser gemischt hatte. Der Kaffee, welcher eher als eine leicht stinkende Brühe zu bezeichnen war, hatte einen so eigenen ranzigen süsslichen Geschmack an sich, der so gar nicht nach Kaffee schmeckte. Opa Nescafati vollführte sofort noch zwei Testreihen mit zwei anderen Ziegen, doch das Ergebnis war immer dasselbe. Was war geschehen?

 

Das schnell rechtsdrehende Umlaufverfahren des Brauvorganges, in dem die Ziegen ebenfalls eingebunden waren, bekam diesen nicht sehr gut. Übelkeit, Brechreiz und schließlich das daraus resultierende ziegische Gespeibe gelangte in den Brauvorgang und führte so zu der unerwünschten Verunreinigung des Braugutes.

Da die Ziegen nun nicht nur physische sondern auch psychische Verstimmungen davontrugen, denn die Ziegen haben aufgrund des schnellen Schleuderverfahrens ein rechtslastiges Gehtrauma entwickelt, verbot Oma Nescafati die Beistellung anderer Ziegen für weitere Testreihen.

 

Opa Nescafati begann sofort mit der geistigen Weiterentwicklung der Maschine unter der Einbindung von Kühen zu planen. Doch aufgrund der möglichen ausufernden Entwicklungskosten, da in diesem Fall die Maschine die achtfache Dimension angenommen hätte, schloss er dieses Projekt ab. Und da sie auf ihrer Landwirtschaft selbst über keine Kühe verfügten und er sich diese bei seinem Nachbarn ausborgen hätte müssen, der Nachbar war aber bereits voll informiert über das technische Produktionsdillemma, wäre eine solche Anfrage beim Nachbarn auch nicht sehr zielführend gewesen. Nach einer kurzen Entwicklerdepression, diese dauerte lediglich zwei Stunden, widmete sich Opa Nescafati einer neuen Entwicklungsidee, und zwar die des automatisierten linksdrehenden Hühnereiablagesystems.

 

Zu den dilettierten Ziegen ist anzuführen, dass Oma Nescafati diese auf Rehabilitation in eine geschlossene Anstalt für psychisch erkrankte Tiere aus der Landwirtschaft in die Nähe von Vicenza schickte. Oma Nescafati konnte bei der Bauernkrankenkassa zudem erreichen, dass die missglückten Versuche als Betriebsunfall anerkannt und die Rehabilitationskosten somit zu einem Drittel von der Bauernkrankenkasse übernommen wurden.

 

Laut letzter Meldung aus der Tierklinik erzielen die Ziegen große Fortschritte in ihrem Genesungsprozess. Sie sind wieder imstande, weitere Strecken geradeaus ohne nach rechts zu wanken zurückzulegen. Lediglich bei Ertönen der Produktionsgeräusche des Kaffeeautomaten in der Eingangshalle verfallen sie sofort, unter angsterregendem Zittern, wieder in das nicht gewünschte Bewegungsmuster. Diesem versucht nun die psychologische Betreuung der Tierklinik mit Einzeltherapiesitzungen zu begegnen.

 

 

 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diese Geschichte liegen beim Autor Anton Six.
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