Auferstehung des Frühstückseis
Auferstehung des Frühstückseis

Auferstehung des Frühstückseis

 

Es war, lassen Sie mich kurz überlegen, ja genau, es war am Montag, den 21.09.2467 als es die Frühstückseier nicht mehr länger hinnehmen wollten. Hinnehmen, dass ihrer Gattung jeden Tag am Morgen dasselbe Schicksal ereilte.

 

Nämlich, dass sie zuerst im Wasser so richtig aufgekocht wurden, meistens nicht länger als drei bis vier Minuten , daraufhin jemand mit einem Löffel auf ihrem Haupte herumklopfte, sie abschälte, ihr Innerstes sodann frisch eingesalzen ausschabte, und sie werden es nicht glauben, diese weiß gelblich schwammige Konsistenz verzehrte. Und der Rest des Eies, gemeint ist die Hülle, die wurde abschließend so mir nix dir nix in den Abfallkübel geschmissen. Ja sie wollten es nicht mehr hinnehmen, dieses rohe Vorgehen ihnen gegenüber, sie gierten nach Anerkennung. Die Frühstückseier rotteten sich zusammen und planten ihr Aufbegehren.

 

Schnell war eine Strategie gefunden, eine Abordnung bestellt und auf ging es zur Gewerkschaft. Unter tosendem Revolutionsgeschrei marschierten hunderttausende von Frühstückseiern durch die Stadt. Sie waren bestückt mit Transparenten, Schildern und machten mit der Unterstützung von Trommeln, Trompeten und vielen anderen Geräuscherzeugern lautstark auf sich und auf ihren Unmut aufmerksam. Einige der Frühstückseier formierten sich zudem zu einer Blaskapelle zusammen und intonierten den ganzen Weg hindurch „die Internationale“. Und die übrigen stimmten lautstark dazu ein: „Hört die Signale ….“

 

Der Tross der Demonstranten erreichte schließlich die Gewerkschaft und die ausgewählte Abordnung bat um ein Gespräch mit dem Gewerkschaftsvorsitzenden zu führen. Da die Situation sowieso schon aufs äußerste abstrus erschien, der Gewerkschaftsvorsitzende aber ein sehr weltoffener und umgänglicher Mensch war, so lud er die Abordnung in den roten Salon zu einer Besprechung. Auf die Frage hin, was denn ihr Begehr sei, trugen die auserwählten Frühstückseier ihren Unmut vor. Sie konnten aber nicht genau darlegen, was sie wirklich wollten, denn sie hatten kein Punkteprogramm mit klar definierten Forderungen. Um hier die Komplexität ein wenig zu reduzieren und um einen roten Faden zu finden, fragte der Gewerkschaftsvorsitzende nach dem gültigen Kollektivvertrag dem sie unterliegen. Die Eier schauten sich ratlos untereinander an, Kollektivvertrag? Tja blöd gelaufen. Ohne Kollektivvertrag konnte er leider für sie nichts machen und komplementierte die Vorsprechenden freundlichst wieder hinaus. Mit gesenkten Häuptern schlich die Abordnung zu ihren Mitstreitern zurück und legte den Sachverhalt dar.

 

Zugleich, einige Galaxien weiter, von uns aus gesehen einige Lichtjahre leicht seitwärts ganz hinten, beobachtete der Schöpfer die Aktion der Frühstückseier und war irgendwie amüsiert und sehr angetan von den kleinen pfiffigen Kerlchen. Eigentlich war er tief im Grübeln, denn er hatte schon seit einiger Zeit mit einem Ressourcenproblem zu kämpfen, ließ sich aber gerne von Ihnen ablenken. Das Ressourcenproblem bestand darin, dass die Abteilung für Reinkarnation, hin und wieder, aber immer öfter nicht über die für die Reinkarnationen notwendigen Ingredienzen verfügte.

In diesem Fall war sodann Improvisation angesagt. Die einfacheren Improvisationen bestanden darin, dass zum Beispiel einem zu reinkarnierenden weiblichen Kopf die Gesichtshaut von einem männlichen Kopf eingepflanzt wurde. Da leider die weibliche Person, der diese Gesichtshaut übermittelt wurde, sodann mit permanentem Bartwuchs konfrontiert war, wurde dieser Reinkarnation ein ewig währender akkugeladener Rasierapparat beigelegt. Nur durch diese Beigabe konnte bei der Abteilung Qualitätskontrolle ein positiver Freigabebescheid erwirkt werden. Etwas schwieriger gestaltete sich schon der Auftrag, als für einen Jagdhund eine neue Schnauze gesucht wurde, aber leider keine identitätsgleiche vorhanden war. Schließlich verpasste man dem Hund, zum Leidwesen des Herrchens, einem Jäger, den Rüssel eines Schweines. Der Jagdhund, der sich bald wieder der besten Gesundheit erfreute, schnüffelte im Wald jedoch lieber nach Trüffeln, als nach den Fährten der zum Abschuss freigegebenen tierischen Waldbewohner. Des einen Leid des anderen Freud.

 

Die größten Herausforderungen stellten aber mittlerweile die wiederherzustellenden Gebisse von Eishockeyspielern und Boxern dar. Da hier in den letzten Monaten ein übermäßiger Auftragseingang festzustellen war, vor allem in der Reinkarnation von ausgeschlagenen vorderen Zähnen, aber dementsprechende Ressourcen eng waren, war des Öfteren dem Improvisationstalent der verantwortlichen Projektmitarbeiter die Grenzen gesetzt.

Die Arbeiten in der Reinkarnationsimprovisation waren mittlerweile weit fortgeschritten, doch in diesem Fall fehlte es konkret an den notwendigen Betriebsstoffen. Hier, vor allem an dem wichtigen Bestandteil Calcium.

In diesem Moment durchfuhr ein Geistesblitz den Schöpfer. Das war es. Die Schalen der Frühstückseier bestehen zum Großteil aus reinem Calcium. Und schon begann er zu rechnen, wie viele Eierschalen er für einen ausgeschlagenen Zahn benötigte. Und da bei den Boxern und Eishockeyspielern zudem die Vorderzähne eher daran glauben müssen als die Backenzähne, ergibt sich dadurch zudem noch ein sparsamer Ressourcenverbrauch.

 

Der Schöpfer schickte sofort den besten Verkäufer, den er in seinen Reihen hatte zu den Frühstückseiern, um ihnen einen Vorschlag für die Auferstehung zu unterbreiten und die dazu notwendigen Vertragsverhandlungen durchzuführen. Ich möchte Sie nun nicht langweilen mit den weiteren Gesprächen und bürokratischen Formalitäten, die dazu notwendig waren. Die Frühstückseier waren jedenfalls zutiefst berührt von dem unterbreiteten Vorschlag und dass gerade Ihnen, denen täglich auf den Kopf geklopft wird eine solche hohe Ehre zuteilwurde. Schließlich fuhr das erste Frühstücksei am Morgen des 24.09.2467 in den Himmel. Seitdem feiern die Frühstückseier jedes Jahr an diesem Tag ihr großes Auferstehungsfest.

 

Die Geschichte hatte aber auch einen kleinen fahlen Beigeschmack. Den Frühstückseiern wurde nämlich, im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht mitgeteilt, dass ihre Hüllen gerade für die Reinkarnation der ausgeschlagenen Zähne von bestimmten Sportlertypen verwendet wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in kurzer Zeit wieder eine Reise durch die Galaxien antreten mussten war natürlich sehr hoch, wurde ihnen gegenüber aber aus vertriebs- und vertragstechnischen Gründen dezent verschwiegen.

 

 

 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diese Geschichte liegen beim Autor Anton Six.
All rights of this story belong to its author Anton Six.